Ein Appell an Achtsamkeit und Verantwortung auf dem Wasser
Ein stiller Sommermorgen im Hafen. Das Wasser liegt ruhig, Möwen ziehen kreischend ihre Kreise, und am Steg klirren die Fallen im Wind. Für viele von uns sind das Momente voller Vorfreude – auf einen Tag auf dem See, auf Wind in den Segeln, auf die Freiheit und die Gemeinschaft, die der Wassersport mit sich bringt. Und doch: Wer heute aufmerksam hinschaut, spürt auch eine andere Entwicklung. Eine, die nachdenklich macht.

Die alte Seemannschaft, wie wir sie gelernt und gelebt haben – sie scheint leiser geworden zu sein. Vielleicht unmodern. Vielleicht unbequem. Vielleicht vergessen.
Immer häufiger sieht man Boote, die ohne vorbereitete Fender oder Festmacher in den Hafen einlaufen. Manövrieren wird zur Improvisation – anstatt vorbereitet und umsichtig zu handeln, werden Leinen erst dann hervorgekramt, wenn es fast zu spät ist. Und wenn man dann endlich am Gästeliegeplatz liegt, werden gleich alle Klampen belegt – auch die des Nachbarn. Hauptsache, das eigene Boot ist fest.
Früher war es Ehrensache, auf dem Steg Ordnung zu halten. Die Leinen schön aufgeschossen, die Schoten in Schnecken gelegt, bereit für den nächsten Törn. Heute liegen sie oft kreuz und quer, zu Stolperfallen geworden – man fragt sich, ob es bloße Nachlässigkeit ist oder einfach ein Mangel an Bewusstsein.
Auf dem Wasser selbst sieht es nicht besser aus. Positionslichter bleiben Tag und Nacht eingeschaltet, oft aus Unsicherheit oder Bequemlichkeit. Bedienpanele moderner Boote sind zwar technisch ausgefeilt, doch wer sich nicht einarbeitet, schaltet lieber alles ein – ganz gleich, ob das Sinn ergibt oder nicht. Viele scheinen gar nicht mehr genau zu wissen, wofür all die Knöpfe da sind.

Was jedoch wirklich Sorgen macht: der Umgang miteinander. Immer häufiger wird gedrängelt, geschnibbelt und mit PS erzwungen, was einem nicht zusteht. Vorfahrtsregeln? Anstand? Rücksicht? Für manche offenbar nur noch optional. Besonders dort, wo Motorstärke auf mangelnde Erfahrung trifft, wird es schnell gefährlich. Wir haben in letzter Zeit viele Beinahe-Kollisionen beobachtet – Situationen, die mit ein wenig Umsicht leicht zu vermeiden gewesen wären.
Dabei war es einst selbstverständlich, dass man einander hilft. Dass man einem unsicheren Skipper beim Anlegen assistiert. Dass man dem Segler in Bedrängnis ausweicht, obwohl man nicht müsste. Dass man grüßt, Rücksicht nimmt, vorausschauend fährt – und sich als Teil einer Gemeinschaft auf dem Wasser versteht.
Was ist Seemannschaft – und warum ist sie so wichtig?
Der Begriff Seemannschaft bezeichnet die Gesamtheit aller Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die zur sicheren und verantwortungsvollen Führung eines Wasserfahrzeugs gehören. Dazu zählen:
- Nautisches Wissen: Navigation, Wetterkunde, Regeln zur Kollisionsverhütung.
- Praktisches Können: Manöver, Leinenarbeit, An- und Ablegen, Knoten.
- Verantwortungsbewusstsein: Für Crew, Boot, Umwelt und andere Wassersportler.
- Disziplin und Achtsamkeit: Ordnung an Bord, sorgsamer Umgang mit Material und Technik.
- Kameradschaft und Hilfsbereitschaft: Respektvoller Umgang und gegenseitige Unterstützung auf See.
Seemannschaft ist kein starrer Kodex, sondern eine Haltung – eine Mischung aus Respekt, Umsicht, Fachkenntnis und Verantwortungsgefühl. Sie war immer das unsichtbare Band, das uns Wassersportler verbunden hat. Über Bootstypen, Reviere und Erfahrungsstufen hinweg.
Und genau deshalb sollten wir uns alle wieder bewusst daran erinnern. Nicht aus Nostalgie, sondern weil sie aktueller denn je ist. In Zeiten zunehmenden Freizeitdrucks, dichter werdender Häfen und wachsender Vielfalt auf dem Wasser braucht es Menschen, die mit gutem Beispiel vorangehen. Die zeigen, dass Wassersport nicht nur Technik und Freiheit ist, sondern auch Verantwortung und Haltung.
Also: Nehmt Rücksicht. Helft einander. Fahrt vorausschauend. Frischt euer Wissen auf. Und vor allem – lebt die Seemannschaft. Für euch, für andere – und für die Zukunft des Wassersports.
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